Mein Bruder heißt Jessica

Coverfoto Mein Bruder heißt Jessica
Copyright: Fischer

von John Boyne
aus dem Englischen von Adelheid Zöfel
Fischer KJB, 2019
gebunden, 254 Seiten
ab 12 Jahren
ISBN 978-3-7373-4219-3
14,00 Euro

„Du bist der beste Bruder der Welt, Jason.“
„Und genau da liegt das Problem, Sam. Ich glaube, ich bin überhaupt nicht dein Bruder. Ich bin mir sogar so gut wie sicher, dass ich deine Schwester bin.“

Jason war immer ein Held für seinen kleinen Bruder Sam. Er ist nett, hübsch, beliebt, der beste Fußballer der Schule und reihenweise Mädchen schwärmen für ihn.

Doch als Jason seiner Familie eines Tages eröffnet, dass er schon immer das Gefühl habe, dass etwas mit ihm nicht stimme, dass er sich wie ein Mädchen im Körper eines Jungen fühle, bricht für Sam die Welt zusammen. Er kann nicht verstehen, warum sein Bruder plötzlich weiblich aussehen will und nicht mehr der große Bruder ist, der er früher war. Auch seine Eltern können Jasons Gefühle nicht nachvollziehen und versuchen alles, um sein Geheimnis unter der Decke zu halten.

Von jetzt auf gleich verändert sich das Leben der Familie drastisch, und alles, was Sam sich wünscht, ist, den alten Jason zurückzuholen, damit alles wieder normal ist.

Mich hat die Geschichte sofort angesprochen. Ich finde, über das Thema „Transgender“ wird viel zu selten in Büchern geschrieben.

Vor allem die Idee, die Story aus der Sicht eines Kindes zu erzählen, fand ich super. Viel zu wenige Kinder sind über das Thema informiert und Sams Reaktionen spiegeln, meiner Meinung nach, gut die Reaktionen vieler Kinder in solch einer Situation wieder. Sam weiß nicht, was passiert und was mit seinem Bruder los ist. Er kann sich nicht in Jasons Situation hineinversetzen und ist total überfordert. Auch kann er Jasons „Identitätskrise“ nicht nachvollziehen und achtet zunächst kaum auf die Bedürfnisse seines Bruders. Er verhält sich egoistisch, möchte seinen großen Bruder zurück und achtet nicht auf Jasons Einwände, dass er nie sein Bruder war.

Auch Jasons Eltern sind total überfordert. Vor allem die Mutter, eine karrierefokussierte Politikerin, versucht alles, um einem Skandal zu entgehen. Sie und ihr Mann ignorieren Jasons Geheimnis und behandeln es wie eine Krankheit.

Keiner der Familie versucht, Jason zu verstehen oder lässt ihn sich erklären. Auch als Jason auszieht, um bei seiner verständnisvollen Tante unterzukommen, lügt die Familie noch über Jasons Verbleiben und stellt erneut keine Versuche an, ihn zurückzuholen und ihm zu helfen. Sie verurteilen ihn für seine Entscheidungen, ohne zu bemerken, wie sehr sie Jason verletzen.

Die Gefühle werden in diesem Buch sehr gut wiedergegeben und man fühlt mit Jason mit. Es ist traurig, wie ihn seine Familie behandelt, doch die Geschichte repräsentiert viele Familien in der gleichen Situation. Für niemanden ist es leicht, wenn das Kind/der Bruder/die Schwester einem eröffnet, dass er/sie sich mit einem anderen Geschlecht identifiziert. Noch immer werden Transgender-Menschen oft nicht ernst genommen und als krank bezeichnet. Das Buch führt einem vor Augen, was das mit einer Familie und vor allem mit der betroffenen Person macht. Somit finde ich, lernt man sehr viel durch das Buch.

Leider hat mir trotz allem der Schreibstil nicht so gut gefallen. Teilweise fand ich ihn etwas abgehackt und eher unrealistisch. Die Dialoge sind häufig sehr anders, als man in der Realität reden würde. Das hat der Geschichte leider sehr geschadet.

Alles in allem finde ich jedoch, dass „Mein Bruder heißt Jessica“ eine super Repräsentation der Reaktionen anderer auf Transgender-Menschen ist. Man lernt viel über die Probleme dieser Menschen und realisiert, wie mutig diese sind. Sich zu trauen, so einen Schritt zu wagen, ist nicht selbstverständlich. Noch immer haben viele Vorurteile und können die Situation nicht nachvollziehen. Man sollte sich somit mehr mit der Thematik befassen, um Transgendern zu helfen, anstatt sie zu verurteilen.

 

Mara Frohreich, 17 Jahre

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