von Ying Chang Compestine
aus dem Englischen von Nicola T Stuart
Jacoby & Stuart, 2018
gebunden, 256 Seiten
ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-946593-94-2
15,– Euro
Im Sommer 1972, kurz vor meinem neunten Geburtstag, begann das Unheil
in ganz China an die Türen zu klopfen.
Ling lebt mit ihren Eltern in Wuhan, einer großen Stadt in Zentralchina. Ihre Eltern sind beide Ärzte, der Vater Chirurg, die Mutter behandelt ihre Patienten nach der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Sie ist sehr streng im Gegensatz zu Ling´s Vater. Der hört mit seiner Tochter amerikanische Musik und bringt ihr englscihe Wörter bei. Denn irgendwann will er einmal mit ihr nach San Francisco zur Golden Gate Bridge fahren. Ling ist die beste in ihrer Klasse, sie lernt leicht und schnell.
Doch dann ändert sich Ling´s Leben von heute auf morgen. Denn Genosse Li wird bei ihnen einquartiert. Er ist glühender Anhänger des Kommunisten Mao Tse-tung und seiner revolutionären Ideen. Li bekommt das beste Zimmer in der Wohnung und Ling´s Mutter muss ihn mit Essen versorgen. Mit der Zeit wird Genosse Li immer unverschämter und mächtiger. Er lässt Menschen misshandeln und verhaften und ruft im Hof zu Kampf-und Kritiksitzungen auf. Auch Ling´s Vater steht auf seiner Abschussliste und wird als „Volksfeind“ verhöhnt. Statt Menschen zu operieren muss er nun die Toiletten im Krankenhaus putzen und wird schließlich sogar ins Gefängnis geworfen.
Ling und ihre Mutter haben nun immer weniger Geld, um Lebensmittel, Öl und Kohlen zu kaufen. Sie frieren und hungern in ihrer eiskalten Wohnung und sind immer auf der Hut vor Genossen Li und seinen infamen Anschuldigungen. Dazu kommt, dass Ling in ihrer Klasse gemobbt und geschlagen wird, weil ihr Vater ein „Sympatisant der Bourgeoisie“ sein soll.
Während Ling´s Mutter an Selbstmord denkt und kaum noch ihren Pflichten nachkommen kann, wird Ling immer stärker und kämpferischer. Sie lässt sich nichts gefallen, auch wenn sie dabei so manche Schlappe einstecken muss. Aber auch in schwierigen Zeiten gibt es immer wieder Lichtblicke…
Dieses Buch zeigt sehr eindrucksvoll wie es in China zu Zeiten der Kulturrevolution zuging. Die Autorin erzählt zwar eine fiktive Geschichte, aber vieles basiert auf wahren Erlebnissen, so wie sie sie selbst in ihrer Kindheit in Wuhan erlebt hat. Dadurch bekommt das Buch eine große Tiefe. Man lebt und leidet mit Ling und bewundert sie gleichermaßen für ihre Fähigkeit, sich nicht unterkriegen zu lassen. Ling ist ein starkes, ehrliches und nachdenkliches Mädchen. Sie stellt viele kluge Fragen und will sich mit Ungerechtigkeit nicht abfinden. Sie kämpft mit großem Mut für den Zusammenhalt ihrer Familie, selbst wenn es aussichtslos erscheint.
Die Autorin öffnet mit ihrem Buch Türen zu einer fremden fernen Welt, die wir uns hier in Europa nur schwer vorstellen können. Aber man folgt ihr gern und lernt so an ihrem persönlichen und sehr berührenden Schicksal ganz viel über die Geschichte eines außergewöhnlichen Landes.
Ying Chang Compestine schreibt in einfachen und klaren Sätzen, sie hat eine Gabe, sehr genau und detailreich zu beobachten und zu beschreiben. Außerdem erklärt sie ganz nebenbei viele chinesische Gebräuche und Traditionen und zeichnet so ein eindrucksvolles Bild ihrer Heimat.
Auch wenn im Buch einige sehr brutale Szenen beschrieben werden, kann man nicht aufhören zu lesen und in diese ferne Welt einzutauchen. Durch „Revolution ist keine Dinnerparty“ habe ich eine ganz neue Sicht und ein besseres Verständnis für China und seine Geschichte bekommen, so dass ich euch dieses Buch ganz besonders ans Herz legen möchte.
Monika H.
Und hier kommt noch eine zweite Meinung zu diesem Buch:
Bevor ihr irgendwas von dem hier lest: Dieses Buch ist eine riesigie Empfehlung von mir, lest es und versteht, weshalb!
“Wie konnte jemand mir mehr bedeuten als mein Vater? Würde der Vorsitzende Mao mir erlauben, ihm Zöpfchen zu binden?”
Ling ist neun Jahre alt, als die Kulturrevoltion in ihrem Leben auftritt. Genosse Li bezieht einen Teil der Wohnung ihrer Familie und alle fühlen sich mehr als zuvor unter Beobachtung.
Es werden immer mehr Ärzte und andere “Bourgeois” degradiert oder in ein Umerziehungslager geschickt. Wobei niemand weiß, ob sie wirklich in ein Umerziehungslager oder ins Gefängnis oder sonst wohin kommen.
Auch Lings Vater ist unter Beobachtung und schnell muss Ling Aufgaben im Haushalt übernehmen und gemeinsam mit ihrer Mutter um das Überleben kämpfen. Sie hat sonst niemanden, denn alle anderen verhöhnen sie dafür, dass sie nicht zu den Arbeiterfamilien gehört. Doch Ling sieht es nicht ein, jemals einzuknicken. Egal, was passiert.
Dieses Buch beginnt damit, dass es einem die Beziehung zwischen Kind und Vater zeigt. Sie bindet einen sofort ein und man kann sie sofort mitfühlen. Für die späteren Szenen ist das auch besonders wichtig.
Als der Genosse Li bei ihnen einzieht, wird die Lage immer ernster und ernster. Ihr Vater muss vieles verstecken und man begreift als Leser schnell, dass diese Geschichte nicht gut enden kann.
Während immer mehr Ärzte, die in Lings Umgebung wohnen, einfach verschwinden, spürt man als Leser immer mehr ihre Traurigkeit, die auch in dem Buch überwiegt. Mit jeder Szene spürt man sie mehr und ich hatte bei fast jedem Kapitel Tränen in den Augen. Wer so nah am Wasser gebaut ist wie ich, der wird hier definitiv keine trockenen Augen haben.
Das Buch spricht ein wichtiges Thema der Geschichte an und so wie es dargestellt wird, zeigt es auch, wie verkehrt und unfassbar doppelmoralisch das Denken mancher Menschen, die an Ideologen glauben, ist. Man merkt auch, dass die Autorin aus ihrer persönlichen Erfahrung geschrieben hat, denn alles Geschriebene hat sich unfassbar real angefühlt und das hat auch ihr Epilog, in welchem sie die Bezüge zu ihrem Leben herstellt, gezeigt.
Als Leser wird man auch immer wieder von den Ereignissen in Lings Leben überrascht, egal, worum es geht. Mal ist es ein Charakter, dann eine inhaltliche Kehrwende… Dabei wird auch nicht vergessen, einen emotional vollkommen aus der Bahn zu werfen.
In diesem Buch sieht man auch sehr gut, wie die Protagonistin mit jedem Hürdenstein erwachsener werden muss. Und das hat mir besonders das Ende nochmal gezeigt.
Also Freunde. Lest dieses Buch, es ist unfassbar gut und es wird euch definitiv gefallen!
Sarah Schröder, 19 Jahre