Was wir dachten, was wir taten

Coverfoto Was wir dachten, was wir taten
Copyright: Beltz & Gelberg

von Lea-Lina Oppermann
Beltz&Gelberg, 2017
Taschenbuch, 179 Seiten
ISBN: 978-3-407-82298-7
ab 14 Jahren
12,95 Euro

“Stell dir vor, du guckst einen Horrorfilm. Und dann wird dieser Film plötzlich Wirklichkeit.”

 Alle Schüler des Oberstufenmathekurses schreiben konzentriert an ihrer Klausur, bis auf einmal eine Durchsage erklingt: ein “schwerwiegendes Sicherheitsproblem” sei aufgetreten. Schnell sind sich die Schüler sicher: Amokalarm. Der Mathelehrer, Herr Filler, ist genauso ahnungslos wie seine Schüler. Als eine maskierte Person mit geladener Pistole ins Klassenzimmer eindringt, weiß niemand mehr, was zu tun ist. Der Amokläufer bringt zehn Briefe mit. Zehn letzte Wünsche. Zehn Aufgaben, die alle Geheimnisse und Lügen aufdecken. Insgesamt 143 Minuten, die das Leben aller 16 Beteiligten für immer verändern.

Eine identische Situation fühlt sich für jeden Menschen unterschiedlich an. Jeder geht anders mit Angst um, jeder reagiert in Stresssituationen verschieden. Wenn also ein Amokläufer in eine Klasse mit 14 Schülerinnen und Schülern und einem Lehrer eindringt, denken und handeln 15 Leute unterschiedlich. Die Geschichte wird aus der Perspektive von drei der beteiligten Personen   im Wechsel erzählt. Die Schülerin Fiona, der Schüler Mark und der Lehrer, Herr Filler, haben alle drei Angst und dennoch denken sie alle etwas anderes.

Fiona, eine Einser-Schülerin, will unbedingt das Richtige tun. Sie denkt fieberhaft nach, denn sie will sich nicht von ihrer Angst davon abbringen lassen vernünftig zu handeln. Dabei vergisst sie, dass Angst ein Schutzmechanismus des Körpers ist und es manchmal am vernünftigsten ist, auf seinen Instinkt zu hören. So bringt sie sich selbst letztendlich in Gefahr.

Mark, ein mutiger Junge, der für Fiona gerne den Helden spielen möchte, möchte nach außen wie ein harter Kerl wirken, doch an seinen Gedanken und seinem Verhalten gegenüber einem kleinen Mädchen, das er beschützt, wird deutlich, dass er sensibel ist und auch Angst hat. Er schreibt keine guten Noten in der Schule und kann Herrn Filler nicht leiden. Als er die Aufgabe bekommt, Herrn Fillers Doktorarbeit zu zerstören, verspürt er Genugtuung, doch danach bekommt er ein schlechtes Gewissen.

Für Herrn Filler ist die Situation noch schlimmer als für die Schüler: er trägt die Verantwortung, ist das Vorbild, alle achten auf ihn und erwarten von ihm, dass er weiß, wie sie sich verhalten müssen. Er steht unter unglaublichem Druck. Während der Amokläufer sich darauf konzentriert, die einzelnen Schüler zu demütigen, beginnt der Lehrer über sein bisheriges Leben und seine Ziele nachzudenken. Plötzlich bereut er es, nicht mehr Zeit mit seiner Freundin verbracht zu haben. Aber er denkt auch an die Zukunft, falls er noch eine hat. Wer wird ihn noch respektieren, nachdem er hier seine Autorität über die Schüler verloren hat? Er erscheint sehr egoistisch und auf sich selbst fokussiert, was ihn für mich unsympathisch macht.

Sowohl in Fiona als auch in Mark konnte ich mich gut hineinversetzen, lediglich Herr Filler blieb mir bis zum Ende unsympathisch, da er im Gegensatz zu allen anderen keine Entwicklung zu durchleben scheint. Als Mark seine Doktorarbeit zerstört, ist er wütend, will es verhindern, weint sogar. Er scheint also seine Prioritäten doch nicht zu verändern. Er schwankt zwischen Aggression und Passivität.

Fiona und Mark hingegen durchleben alle möglichen Gefühle, passen ihre Handlungen entsprechend an und kämpfen, bis es zu Ende ist.

Als es nach 143 Minuten vorbei ist, sind alle und ihr Verhältnis zueinander für immer verändert.

Man kann das Buch auch ungefähr in dieser Zeit lesen. Durch diese Zeitdeckung kann man noch besser die Situation nachvollziehen. Deshalb empfehle ich das Buch an einem Stück zu lesen. Das Buch bleibt die ganze Zeit spannend und ist flüssig geschrieben. Die gesamte Geschichte wirkt sehr realistisch, ist aber fiktional. Beeindruckend ist, dass die Autorin, als sie das Manuskript schrieb und dafür den Hans-im-Glück-Preis im Jahre 2016 erhielt, erst 18 Jahre alt war. “Was wir dachten, was wir taten” ist ihr Debütroman.

Fazit: Eine spannendes Buch, das durch das ernste Thema keine allzu leichte Lektüre ist, aber sehr lesenswert ist. Definitiv zu empfehlen!

Annika Schmidt, 17 Jahre

Und hier kommt noch eine zweite Meinung zu diesem Buch:

„Wir werden dir erzählen, was wirklich passiert ist. An diesem Tag. In diesen 143 Minuten…Kann sein, dass du schon davon gehört hast, im Fernsehen oder in den Schlagzeilen… Wenn ja, vergiss es, nichts davon ist wahr. Wir werden dir erzählen, was wirklich passiert ist. Wir waren dabei.“

Eine Lautsprecherdurchsage an einem ganz normalen Schulvormittag trifft Schüler und Lehrer bis ins Mark. „Es ist ein schwer wiegendes Sicherheitsproblem aufgetreten. Bitte bewahren Sie Ruhe! Begeben Sie sich sofort in einen geschlossenen Fachraum!“—Das heißt Amokalarm, mitten in der Mathestunde, während eines Tests. Die Tür abzuschließen und abzuwarten, was weiter passiert, ist schnell getan, aber dann jagen die Gedanken der 14 Schüler und  ihres Lehrers in alle Richtungen. Wo ist der Attentäter, wer ist es und warum gerade ihre Schule?

Als es plötzlich an der Tür klopft und ein weinendes Mädchen von draußen um Einlass bittet, steht die erste Entscheidung an. Sollen die Schüler die Tür aufschließen und möglicherweise das Leben des unbekannten Mädchens retten oder ist ihnen ihre eigene Haut wichtiger und die Tür bleibt zu?

Das ist nur die erste von vielen folgenschweren Herausforderungen, die die Klasse und ihr Lehrer, Herr Filler, bewältigen müssen…

Der Attentäter ist völlig unberechenbar, sein Motiv nicht zu erkennen und seine „wahnsinnigen“ Handlungen stellen das Leben der Klasse völlig auf den Kopf.

Nur eine kurze Zeitspanne, nämlich genau 143 Minuten,  zu beschreiben und dabei den Spannungsbogen nicht abreißen zu lassen, das ist gar nicht so leicht. Aber es ist der Autorin wirklich gut gelungen. Nach einem etwas langatmigen Start, in der die Charaktere der handelnden Personen vorgestellt werden, (die Kluge, die Schöne, die Zicke, die Magersüchtige, der Außenseiter, der Klassenclown, der Beliebte…) nimmt das Buch gehörig Fahrt auf, so dass man es nicht mehr aus der Hand legen kann.

Lea-Lina Oppermann beschreibt keinen Attentäter aus dem Lehrbuch, sie stellt einen Menschen vor, der völlig verrückte Dinge fordert, die sich erst ganz am Ende zu einem Bild fügen– und damit zu einem Motiv. Das allerdings kommt ziemlich unvermittelt daher und ist (für meinen Geschmack!) nicht ganz schlüssig. Doch das ist wirklich mein einziger Kritikpunkt an dieser Atem beraubenden Geschichte, die den Leser immer wieder vor die Frage stellt: Wie würde ich in dieser Situation handeln?

Monika H.

Hier kommt eine dritte Meinung:

Ein Amokalarm. Alle sollen im Klassenraum bleiben und ihn verriegeln. Doch was, wenn der Amokläufer doch in den Klassenraum eindringt? Erbarmungslos müssen Aufgaben erfüllt werden. Werden diese nicht erfüllt, müssen alle sterben. Also müssen die Schüler alle zehn Umschläge öffnen und die darin gewählten Aufgaben des Amokläufers erfüllen. Komplett. Und dabei werden die verschiedensten Hintergründe und Geheimnisse aufgezeigt. Als sie den Angreifer enttarnen, sind die Grenzen der Normalität so weit überschritten, dass es für niemanden mehr ein Zurück gibt.

Das Buch wird aus drei verschiedenen Blickwinkeln (Fiona, Mark, Herr Filler) erzählt. Das hat mir gut gefallen. Dadurch hat man verschiedene Einblicke und auch Charakterzüge kennengelernt. Es wäre vielleicht besser oder interessanter gewesen, wenn die Charaktere komplett verschieden gewesen wären. Das hätte ich noch interessanter gefunden…

Der Schreibstil ist sehr flüssig und lässt sich leicht lesen. Das könnte auch an der knappen Seitenzahl liegen, aber es ist trotzdem schnell zu lesen.

Auch dafür, dass das der erste Roman dieser Autorin war, war der echt gut! Er war kurz, knackig und intensiv.

Wie die einzelnen Charaktere handeln, war ebenfalls krass. Was manche Menschen alles tun würden, um zu überleben und dafür jemand anderem zu schaden, ist echt heftig gewesen, aber da möchte ich nicht zu viel verraten. Das hängt mit der Idee zusammen, wie die Autorin den Amoklauf „verpackt“ hat. Denn der Amokläufer weiß viel mehr von den Schülern, als sie zunächst glauben.

Mich hat es immer wieder verwirrt. Wieso kam die Polizei nicht und hat die Klasse gerettet? Wieso erscheinen sie erst am Ende? Mark hat erzählt, wie alle Klassenräume evakuiert werden. Wieso nicht ihrer? Das ist mein einziger, starker Kritikpunkt, der sich regelmäßig in meinen Kopf gefressen hat, während ich das Buch gelesen habe.

Das Ende fand ich ein wenig vorhersehbar, aber das ist, denke ich mal, normal, wenn das Buch von Amokläufen handelt. Dennoch war es überraschend, wer der Amokläufer ist und was der Hintergrund des Amoklaufs war.

Ich kann euch das Buch nur empfehlen, es ist sehr interessant gewesen, aus der Sicht der Schüler und aus der Sicht des Lehrers zu lesen. Was wäre gewesen, wenn man das alles aus der Sicht des Amokläufers gelesen hätte? Wären da noch andere Gedanken zu gekommen? Das hätte mich interessiert…

Sarah Schröder, 18 Jahre

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