von Len Vlahos
aus dem Amerikanischen von Anja Galic
cbt, 2019
Taschenbuch, 395 Seiten
ab 13 Jahren
ISBN: 978-3-570-31160-8
9,99 Euro
Menschenleben zu verkaufen
Fünfundvierzigjähriger Mann, der noch vier Monate zu leben hat, verkauft sein Leben an den Meistbietenden. Man kann mit ihm nach eigenem Gutdünken verfahren – ihn versklaven, umbringen, foltern oder sich einfach nett mit ihm unterhalten. Ein Menschenleben also, über das der Besitzer uneingeschränkt verfügen kann. Der Käufer muss in einem Bundesstaat oder Land leben, in dem Sterbehilfe gesetzlich erlaubt ist, und die Transportkosten sowie die anfallenden Steuern übernehmen. Für die Auktion gibt es ein Mindestgebot.
Diese Anzeige stellt Jackies Vater bei eBay ein, nachdem er erfährt, dass er einen Gehirntumor hat. Er möchte damit seine Familie finanziell absichern, doch er tut ihnen nicht wirklich einen Gefallen damit. Denn Jareds Leben kauft letztendlich ein Fernsehsender, der aus seinem Leben und Sterben eine Reality-Show machen will. Das Leben der Familie Stone wird dadurch gründlich auf den Kopf gestellt. Jared, seine Frau und seine beiden Töchter werden von nun an 24 Stunden von Kameras gefilmt. Zunächst scheint alles ganz gut zu gehen, doch der Fernsehsender verletzt immer mehr ihre Privatsphäre und schneidet das Filmmaterial zu Ungunsten der Familienmitglieder. Jackie scheint zunächst die einzige zu sein, die sich dagegen auflehnt, doch nach und nach erhält sie immer mehr Unterstützung, und der Kampf gegen den übermächtigen Fernsehsender beginnt.
Meine Meinung:
Ich finde das Buch unglaublich beeindruckend. Am Anfang habe ich nur gedacht: Was für ein verrücktes Zeug und dann bin ich immer tiefer in die Geschichte eingetaucht und mein Fazit lautet: Was für ein faszinierendes verrücktes Zeug!
Der Hauptgrund, der dieses Buch so faszinierend-verrückt macht, ist der Schreib- und Erzählstil des Autors. Als ich den ersten Abschnitt aus der Sicht eines Gehirntumors gelesen habe, fand ich es seltsam. Als ich den letzten Abschnitt aus der Sicht des Gehirntumors, der nun den Namen Glio trägt, gelesen habe, fand ich das seltsamerweise sehr berührend. Neben dem Gehirntumor gibt es aber noch einige weitere Figuren, aus deren Perspektive man die Geschichte der Familie Stone erzählt bekommt. Doch anders als man es vermuten würde, führt dies nicht zu Verwirrungen, im Gegenteil, die Geschichte braucht diese Erzählweise, weil einfach so viel an unterschiedlichen Orten zur gleichen Zeit passiert. Ich war überrascht, wie schnell ich mich in den raschen Wechsel der Perspektiven eingefunden habe.
Den Erzählstil von Len Vlahos kann ich kaum beschreiben. Zuerst hätte ich gesagt „trocken und nüchtern“, aber dazu war die Geschichte an zu vielen Stellen sehr bewegend. Ich kann euch nur raten, macht euch ein eigenes Bild von diesem Buch. Es ist ein Buch, das man gelesen haben muss, um es zu verstehen.
Carolin Wallraven, 21 Jahre
Und hier kommt noch eine zweite Meinung zu diesem Buch:
Jared Stone erfährt, dass er unheilbar an einem Glioblastom, einem Hirntumor, erkrankt ist. Um seiner Familie nach seinem Tod finanzielle Sicherheit gewähren zu können, versteigert er sein Leben auf Ebay an den Höchstbietenden. Nach dem Verkauf, darf der Käufer alles mit ihm anstellen, was er will, er darf ihn sogar foltern und ermorden. Doch die Dinge laufen anders als Jared gedacht hat und bald unterschreibt er einen TV-Vertrag, der sein Leben unter die Obhut eines Fernsehsenders stellt. Dort wird sein gesamtes Familienleben zu einer geschmacklosen Reality-Show zusammengeschnitten. Jackie, seine 15-jährige Tochter, will das nicht hinnehmen und beginnt sich zu wehren, um ihrem Vater einen würdevollen Tod zu ermöglichen.
Ich war sehr gespannt auf das Buch, nachdem ich den Klappentext gelesen habe. Die Idee, dass jemand sein Leben versteigern würde und welche Beweggründe er haben könnte, hat mich sofort gefesselt. Auch die Wendung, dass Jareds Familie schlussendlich Star einer eigenen Realityshow wurde, fand ich super! Das knallharte TV-Business wird sehr gut und realistisch beschrieben und die Handlungen des Filmteams waren nachvollziehbar. Das Buch zeigt, unter welchem Druck die Fernsehangestellten stehen und wie einzelne Entscheidungen ein Leben verändern können.
Leider hat mich der Roman nicht gänzlich überzeugt. Es gab viele verschiedene Sichtweisen, aus denen in kurzen Geschichten, deren Perspektive und Verbindung mit der Familie Stone und der Idee des Versteigerns des eigenen Lebens, erzählt wird. Mich haben diese Sprünge eher verwirrt und gestört, als dass ich sie gut fand.
Normalerweise mag ich es, eine Geschichte aus wechselnden Perspektiven und von verschieden Charakteren erzählt zu bekommen, aber bei „Welcome To Reality“ hat diese Vorgehensweise dazu geführt, dass man keinen der Charaktere wirklich kennenlernen, beziehungsweise sich mit den Protagonisten identifizieren und deren Taten nachvollziehen konnte. Doch was ich am schlimmsten fand, waren die Kapitel aus der Sicht des Tumors, welcher den Namen „Glio“ trägt. Der Tumor wird wie ein Lebewesen mit Bewusstsein dargestellt, und nicht wie eine Krankheit. Er kann denken und ist sich seiner Handlungen bewusst. Seine Kapitel haben die Geschichte unrealistischer gemacht, was ich sehr schade fand. Meiner Meinung nach hätte der Autor mehr auf Jareds Krankheit eingehen können, als dass er die Krankheit vermenschlicht.
Alles in allem ist „Welcome To Reality“ ein mittelmäßiges Buch, mit einer super Idee, die man allerdings deutlich besser hätte umsetzen können.
Mara Frohreich, 17 Jahre