von Courtney Summers
aus dem Englischen von Friederike Levin
Beltz & Gelberg, 2017
gebunden, 376 Seiten
Ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-407-82216-1
16,95 Euro
Romy lebt in der Kleinstadt Grebe. Es gibt eine große Firma, „Grebe-Auto-Supplies“, deren Inhaberin, Helen Turner, die Frau des Sheriffs ist. Dementsprechend sehen sich alle Einwohner gezwungen, der Familie Turner alles Recht zu machen. Romy und ihre Familie haben es sich jedoch mit ihnen verscherzt. Romys Vater, ein Säufer, wurde von Helen Turner gefeuert, nachdem er sie öffentlich beleidigt hatte. Und nun wurde Romy von dem älteren Sohn der Turners, Kellan, vergewaltigt und niemand will ihr glauben. Alle wenden sich von Romy, der „Lügnerin“, ab und stehen auf der Seite der Turners. In der Schule wird Romy zur Außenseiterin und versteckt sich hinter einer Rüstung aus rotem Nagellack und Lippenstift. Selbst ihre Freundin Penny glaubt ihr nicht. Deswegen freut sich Romy, als sie Leon auf der Arbeit kennenlernt, denn er gibt ihr das Gefühl nicht mehr dasselbe Mädchen zu sein.
Nach der größten Party in Grebe werden Romy und ihre ehemalige Freundin vermisst. Doch nur Romy taucht wieder auf und sie kann sich an nichts erinnern. Was ist mit Penny passiert? Das scheint sich die ganze Stadt zu fragen und: Warum wurde Romy gefunden und Penny nicht? Für Romy beginnt ein Spießrutenlauf in der Schule.
Die Grundidee ist sehr stark. Gerade bei einer Vergewaltigung steht es Aussage gegen Aussage. In der korrupten Kleinstadt glauben die Bewohner natürlich eher dem Sohn des Sheriffs als dem Mädchen, das sowieso schon in Ungnade gefallen ist. Ich finde jedoch, man hätte mehr aus der Idee machen können. Es gibt viele Sachen, die wirklich sehr gut gelungen sind und die mich sehr tief berührt haben. Allerdings ist die Geschichte irgendwie nicht ganz rund und aufmerksamkeitsfordernd.
Am besten hat mir der Rahmen der Geschichte gefallen. Die Sache mit dem roten Lippenstift und Nagellack. Die Protagonistin hat das Schminken und Lackieren bis zur Perfektion getrieben, damit sie eine Schutzschicht gegen die Außenwelt hat. Das wird richtig gut deutlich durch den Schreibstil der Autorin. Das Buch ist aus der Sicht von Romy geschrieben und man kann spüren, wie kaputt sie innerlich ist und wie sehr sie diesen Schutzschild braucht. Ich bin immer wieder beeindruckt, wenn es Autoren schaffen, ihrer Figur eine solche Tiefe zu geben.
Es ist erschütternd zu lesen, wie tief die Wunde ist, die bei Romy entstanden ist. Was mich gestört hat: Diese Wunde bleibt offen. Natürlich kann man sie nicht einfach heilen, aber ich hätte mir gewünscht, dass die Autorin zumindest eine „Heilsalbe“ für Romy vorbereitet. Und das hat sie leider nicht geschafft, deswegen kommt mir die Geschichte nicht ganz stimmig vor.
Außerdem stimmen die Verhältnisse der einzelnen Elemente der Story meiner Meinung nach nicht so ganz. Es gibt einen langen Vorlauf, bis endlich etwas passiert und wenn dann endlich das passiert, wovon man schon vom Klappentext wusste, dann weiß man schon, worauf es hinausläuft und wie es ausgeht. Insgesamt stehen die Gefühle von Romy mehr im Vordergrund, als die Geschehnisse. Das ist schade und ich hätte mir eine größere Ausgewogenheit gewünscht.
Mein abschließendes Urteil: Die tiefen Gefühle sind wirklich faszinierend und gut rübergebracht. Leider leidet die Story etwas darunter und sie bleibt unabgeschlossen. Allerdings ist das Thema Vergewaltigung ein sehr brisantes Thema, vor dem man nicht die Augen verschließen sollte. Das Buch erreicht etwas sehr Wichtiges: Man beginnt nachzudenken und die Augen zu öffnen.
Carolin Wallraven, 18 Jahre