Baby & Solo

Coverfoto Baby & Solo
Copyright: Hanser

von Lisabeth Posthuma
aus dem Englischen von Sophie Zeitz
gebunden, 429 Seiten
Hanser, 2021
ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-446-27119-7
19,00 Euro

 

Joel hat nur ein Ziel in seinem Leben. Er möchte endlich NORMAL sein. Sein Therapeut schlägt ihm vor, sich einen Job zu suchen. Die kleine Videothek, in der jeder Mitarbeiter nach einer Filmfigur benannt ist, scheint ideal dafür und so wird er zu Han Solo und beginnt seinen ersten richtigen Nebenjob.

Dort lernt er unter anderem Baby kennen. Baby, benannt nach Dirty Dancing, obwohl sie den Film nie gesehen hat, scheint Solo irgendwie zu mögen. Warum, ist ihm nicht so ganz klar, vor allem, da Baby sonst niemanden wirklich zu mögen scheint. Als Baby dann seine Hilfe braucht und ziemlich verzweifelt scheint, zögert er nur kurz -schließlich hatte er sich nach seinem letzten Klinikaufenthalt geschworen Distanz zu verzweifelten Frauen zu wahren-, beschließt dann aber doch, ihr zu helfen.

Dabei erfährt er so einiges über sie. Baby ist nämlich schwanger und obwohl sie auf „taff“ macht, doch ziemlich überfordert mit der Situation. Denn es ist ja nicht NORMAL, so jung schwanger zu sein. Aber Solo ist für sie da. Die beiden werden Freunde, doch irgendwann fällt Baby auf, dass sie immer nur von sich erzählt und sie so gut wie nichts über Solos Vergangenheit und sein Leben weiß.  Wer ist Crystal? Warum reagiert er so seltsam, wenn irgendwo Bon Jovi spielt und woher kennt Solo Dr. Schwartz?

Solo weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Er will mit Baby befreundet sein. Er will eine echte Freundschaft mit Nähe und allem, aber wie soll er sich ihr öffnen, wenn in seiner Vergangenheit absolut nichts NORMAL ist. Was, wenn er ihr von dem Schlimmen erzählt und sie die Füße in die Hände nimmt, um schnellst möglich weg von ihm und seiner Macke zu kommen?

Joel oder eben Solo ist ein wahnsinnig interessanter Hauptcharakter. Als Leser erfährt man erst nach und nach von seiner Macke, seinen Klinikaufenthalten und dem Schlimmen, was seine Familie in den Grundfesten erschüttert hat. Da vor allem das Schlimme lange nur angeschnitten, aber nie enthüllt wird, bleibt es super spannend, da man sich die ganze Zeit fragt, was so schlimm gewesen sein kann, dass Solos psychische Gesundheit so sehr darunter gelitten hat. Im Laufe der Geschichte findet man immer wieder Hinweise, die in eine gewissen Richtung deuten, aber als Solo dann schließlich seine und vor allem auch Crystals Vergangenheit enthüllt, war ich persönlich dennoch ziemlich erschüttert.

Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen, aber dieses Buch ist wahnsinnig wichtig, um darauf aufmerksam zu machen, welchen Einfluss es auf Kinder haben kann, wenn sie zu Hause nicht hundertprozentige Unterstützung in ihrer freien Entfaltung erfahren. Die Geschichte spielt in den Neunzigern und zum Glück ist Konversionstherapie heutzutage in vielen Ländern bereits verboten, aber es ist wichtig, dass das Thema nicht tot geschwiegen wird.

Geschichten wie diese klären über die Folgen und das Leid der Jugendlichen auf und sind daher meiner Meinung nach super wichtig, auch wenn sie beim Lesen natürlich einen ziemlich bitteren Beigeschmack haben. Mir ging es teilweise echt nahe, all diese Ungerechtigkeiten zu lesen und zu wissen, dass es sich nicht um Fiktion handelt, sondern das viel zu viele Menschen diesen Schrecken tatsächlich durchmachen mussten. Dennoch ist dieses Buch absolut kein Stimmungskiller. Solos trockener Humor, seine Selbstironie und all die anderen Charaktere mit ihren Eigenarten machen diese Geschichte zu einer wundervollen Leseerfahrung.

 

Ann-Kathrin Opiolka, 20 Jahre

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