von Claudia Rinke
Planet!, 2018
Taschenbuch, 273 Seiten
ab 12 Jahren
ISBN: 978-3-522-50590-1
12,00 Euro
Anna ist fünfzehn und zur Zeit in einer schwierigen Lebenslage. Ihr Vater ist vor ein paar Monaten gestorben und sie kommt mit ihrer Trauer nicht wirklich zurecht. Ihre Mutter ist da auch keine sonderlich große Hilfe, im Gegenteil: Wegen ihrer eigenen Trauer scheint sie Anna nur als Klotz am Bein wahrzunehmen und sie manchmal regelrecht zu vergessen. Da ist Anna froh, dass ihr in dieser schwierigen Zeit wenigstens einer zur Seite steht: Abu Salam. Sie hat ihn zufällig über das Internet kennengelernt und er scheint sie zu verstehen und sie so zu akzeptieren wie sie ist. Er ist Moslem, genau wie ihre beste Freundin Kayla, und so beginnt sich Anna immer mehr für den Islam zu interessieren. Das einzige, was einer Beziehung zu Abu Salam im Wege steht, ist, dass er in Syrien für den IS kämpft. Für Anna steht fest: Sie möchte nicht von ihm getrennt bleiben und so schnell wie möglich zu ihm nach Syrien reisen. Denn zuhause gehen ihr sowieso alle nur auf die Nerven und ihr neuer Glaube an Allah wird ihr den richtigen Weg weisen. Und überhaupt, wenn sie erstmal bei Abu Salam ist, wird alles gut. Da ist sie sich sicher.
Meine Meinung:
Meine Empfehlung zu diesem Buch: Lest es, aber lest vorher bloß nicht den Klappentext! Es ist total schade, dass Annas Flug nach Syrien dort schon angekündigt wird, obwohl er erst im letzten Drittel des Buches stattfindet. So verdirbt es ein bisschen die Spannung, weil man schon vorher weiß, worauf es hinauslaufen wird. Trotzdem ist dieses letzte Drittel der spannendste Teil des gesamten Buches. Und für mich hätte er gerne noch etwas ausführlicher sein können.
Am Anfang musste ich mich etwas an den Schreibstil gewöhnen. Er entspricht, meiner Meinung nach, nicht ganz dem, wie sich Jugendliche unterhalten und Whats Apps schreiben. Allerdings passt es zu Annas naivem Verhalten. Es ist einfach kaum vorstellbar, dass es immer noch Jugendliche gibt, die trotz Medienberichterstattungen und Aufklärungen in der Schule, auf die Seelenfänger des IS reinfallen. Aber mit Anna hat die Autorin eine prototypische Jugendliche geschaffen, stellvertretend für alle, denen sowas schon passiert ist oder noch passieren wird. Sie ist das typische Beuteschema für den IS. Sie hat gerade eine schwierige Zeit zuhause, hat den schweren Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten und sehnt sich einfach nach jemandem, der sie versteht und noch wichtiger: liebt. Genau diese Situation nutzt Abu Salam aus. Er verspricht ihr, dass sie Zuversicht im Glauben und in Allah finden wird und dass er sie liebt. Ich bin der festen Überzeugung, dass man Halt und Zuversicht im Glauben finden kann und dass es dabei egal ist, in welcher Religion man danach sucht. Das, was die ganze Sache gefährlich macht, sind die Liebesversprechungen, die Anna und anderen Mädchen gemacht werden. Welches 15-jährige Mädchen sehnt sich nicht nach einem schönen, starken Typen, der sie beschützt und versteht? So kann sich Abu Salam Anna gefügig machen und ihr das Gefühl geben, dass alle Entscheidungen und Wünsche ihre eigenen wären. Denn schließlich will sie ihm gefallen.
Ich finde dieses brisante und aktuelle Thema wird in dem Buch gut herausgearbeitet und es wird unterstrichen, wie wichtig die Aufklärung über Religionen im Allgemeinen und dem IS im Besonderen ist. Bei Anna fängt alles damit an, dass sie keine Ahnung vom IS hat und sehr wenig über andere Religionen weiß. Obwohl sie am Ende den falschen Weg geht, zeigt das Buch, dass der Umgang mit anderen Religionen durchaus spannend und schön sein kann. Zum Beispiel wenn Kayla ihre Freundin mit zum Tag der offenen Tür ihrer Moschee nimmt. Anna ist für diesen friedlichen Umgang leider schon zu blind, denn sie will schließlich ihrem Abu Salam gefallen.
Meine abschließende Meinung zu diesem Buch ist: Es thematisiert ein sehr aktuelles Thema und trägt dazu bei, das Bewusstsein der Jugendlichen für andere Religionen im positiven Sinne zu weiten. Gut ist hierbei, dass Annas Weg zu einem anderen Glauben sehr ausführlich beschrieben wird. Allerdings hat das Buch durchaus seine Schwächen. Der Schreibstil ist eher unpassend und das Ende wäre noch ausbaufähig gewesen. Vielleicht hätte dem Buch sogar ein anderes Ende ganz gutgetan, also ich meine kein Happy End. Denn nicht jedes Mädchen, das sich vom IS verführen lässt, wird gerettet. Auf der anderen Seite ist das Buch dadurch auch für jüngere Leser geeignet, was auch von Vorteil ist. Je mehr Jugendliche dieses Buch erreicht, desto besser!
Carolin Wallraven, 19 Jahre