von Dirk Reinhardt
Gerstenberg, 2015
Gebunden, 319 Seiten
ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-8369-5800-4
14,95 Euro
Es ist erst wenige Stunden her, dass ich sie getroffen habe. Und nicht viel länger, seit ich von zu Hause aufgebrochen bin. Trotzdem kommt es mir vor wie eine halbe Ewigkeit. So weit entfernt ist es inzwischen: unser kleines Haus in Tajumulco, in den Bergen von Guatamala. Mein Zuhause. Vielleicht sehe ich es nie wieder.
Ich weiß nicht, wie oft ich es mir vorgenommen habe: abzuhauen und meine Mutter zu suchen. Unendlich oft. Vor sechs Jahren hat sie uns verlassen, meine Schwester Juana und mich, und ist nie zurückgekehrt. Ich war acht damals, Juana vier. Bis zur vorletzten Nacht. Da ging es nicht mehr anders, nach all den Dingen, die passiert waren: Ich musste los.
Miguel möchte in die USA zu seiner Mutter gelangen. Das Problem ist nur, dass er Tausende von Kilometern weit weg in Guatemala lebt und illegal einreisen muss. Trotzdem macht er sich auf den Weg quer durch Mexiko. Miguel lernt zu Anfang seiner Reise Fernando, Emilio, Ángel und Jaz kennen, die den gleichen Weg wie er haben. Zusammen versuchen sie, ihren Traum eines besseren Lebens zu erfüllen. Fernando hat schon einige Male diesen Versuch gewagt, doch ist er immer gescheitert. Der Weg ist sehr gefährlich und sie müssen viele Gefahren bestehen. Dabei müssen sie sich hinterfragen, ob ihr Ziel es wirklich wert ist, ihr Leben zu riskieren.
Innerhalb des Buches befindet sich eine Karte von Mexiko und den umliegenden Ländern, die den Weg der Flüchtlinge aufzeichnet. Dies ist von Vorteil, da man so nicht den Faden verliert und immer nachverfolgen kann, wo sich die Protagonisten gerade befinden. Auch sieht man so, was für ein langer Weg es ist.
Dafür ist das Cover leider nicht so gut gelungen. Der Junge nimmt die Vorstellungen von Miguel vorweg und drängt die anderen Charaktere in den Hintergrund, die mindestens genauso interessant sind wie Miguel.
Der Roman setzt am Anfang direkt bei der ersten Station der Flucht ein. Die Jugendlichen haben sich schon kennengelernt und versuchen nun gemeinsam die erste Schwierigkeiten zu überwinden. Danach geht es rasant weiter. Die Freunde hetzen von einem Problem und Ereignis zum nächsten. Man ist gefesselt und gespannt, was noch kommen mag. Dann jedoch scheint sich der Autor zu besinnen, dass er noch tiefer in die Beziehungen zwischen den Charakteren eintauchen sollte. Das geht ein bisschen auf Kosten des Erzähltempos. Dann aber nimmt der Roman wieder an Fahrt auf. Aber nun kommen auch die persönlichen Seiten der Protagonisten dazu, was das Buch umso interessanter macht.
Train Kids ist ein Abenteuerroman, der nicht in einer phantastischen Welt spielt, sondern in der Realität, was die Geschichte umso spannender und schrecklicher macht. Man muss sich während des Lesens immer wieder vor Augen halten, dass die Geschichte nicht unrealistisch ist, sondern tatsächlich auch so passieren könnte.
Das Buch ist zu Recht ausgezeichnet mit dem Friedrich- Gerstäcker- Preis für Jugendliteratur und für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2016, Kategorie Preis der Jugendlichen.
Maike Grabow, 20 Jahre