von A.J.Steiger
aus dem Englischen von Annette
von der Weppen
gebunden, 397 Seiten
Carlsen, 2018
ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-551-58379-6
18,00 Euro
Die siebzehnjährige Alvie Fitz wohnt alleine in einer kleinen Wohnung und arbeitet im Zoo. Als ihre Mutter stirbt, kommt sie erst einmal in verschiedene Pflegefamilien, aber auf Grund der Tatsache, dass sie am Asperger Syndrom leidet, fällt es ihr immer schwerer, sich in den Familien einzuleben. Der Körperkontakt mit anderen Menschen löst in ihr ein Gefühl von Schmerz aus und wenn sie in Panik gerät, verliert sie schnell die Kontrolle über sich. Momentan ist ihr größtes Ziel, die vorzeitige Mündigkeit zu erhalten, um unabhängig von staatlichen Hilfen zu sein und ihren Sozialarbeiter loszuwerden.
Sie will beweisen, dass sie ein funktionstüchtiger Mensch sein kann, der ohne Probleme seinen Job ausübt. Dafür muss sie die Kontrolle über ihr Leben behalten. Sie meidet persönlichen Kontakt zu anderen Menschen und konzentriert sich voll und ganz darauf, so normal wie möglich zu erscheinen, da sie nicht will, dass andere von ihrer Krankheit erfahren.
Dann lernt sie jedoch Stanley kennen, der auch einige Probleme mit sich rumzuschleppen scheint. Die beiden kommen sich näher, doch schnell wird klar, dass irgendetwas Dunkles in Alvies Vergangenheit lauert, was dafür sorgt, dass sie wahnsinnige Angst davor hat zu lieben oder selbst geliebt zu werden. Wird sie sich ihren Gefühle und ihrer Vergangenheit stellen? Oder wird sie weglaufen und Stanley, genau wie ihre Vergangenheit, aus ihrem Leben verbannen? Hat ihre Beziehung eine Chance oder ist sie zum Scheitern verurteilt?
Alvie ist ein unglaublich vielschichtiger Charakter. Sie ist wahnsinnig intelligent, und vor allem Tiere üben eine wahnsinnige Faszination auf sie aus. Ihr Job im Zoo ist ihr gerade deshalb ziemlich wichtig, da Tiere ihrer Meinung nach viel einfacher zu verstehen sind als Menschen.
Alvies komplette Existenz richtet sich aufs Überleben aus. Fortpflanzung ist nur ein Mittel zum Zweck des Fortbestandes. Menschen sind viel komplizierter. Sie entwickeln Gefühle und halten sich an gesellschaftliche Verhaltensnormen, was Alvie selbst schon immer schwer viel. Wenn sie mit Menschen über Persönliches reden muss, blockt sie immer irgendwie ab und wird wahnsinnig nervös.
Im Laufe der Geschichte erfährt man nach und nach, dass dieses Verhalten nicht nur durch ihre Krankheit ausgelöst wird sondern zu einem Großenteil auch Selbstschutz vor ihrer Vergangenheit ist. Es ist unglaublich spannend zu beobachten wie dieses verschlossene Mädchen nach und nach Vertrauen zu Stanley fasst. Es fällt ihr leichter mit ihm zu reden und auch seine Berührungen schmerzen nicht so sehr wie die der Anderen. Sie überwindet sich in seiner Gegenwart immer öfter selbst und öffnet sich für eine Welt außerhalb ihrer Kontrolle.
Besonders gut hat mir gefallen, dass ihre Beziehung sich jedoch nicht als Wunderheilmittel für ihre Ängste entwickelt, sondern dass sie gerade zu Beginn viele Hürden überwinden müssen, die sie vielleicht gar nicht überwinden können, da auch Stanley seine Probleme mitbringt. Das Buch vermittelt auf einfühlsame Art, wie wichtig es ist, zu seinen Problemen zu stehen und sie nicht immer unter den Tisch zu kehren. Es ist ok, Hilfe anzunehmen, wenn man sie braucht und sie einem angeboten wird. Sowohl Alvie als auch Stanley haben ihre Probleme mit dieser Tatsache, da sie niemandem zur Last fallen wollen.
Dennoch vermittelt die Geschichte keinesfalls, dass Liebe alle Wunden heilt und dass man sich nur die richtige Hilfe suchen muss, sondern dass man sich häufig nur alleine seiner Vergangenheit stellen kann. Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass man lernt, dass liebende Menschen einem in schweren Zeiten Halt geben können. Aber mit sich selbst ins Reine kommen, kann man nur für sich selbst, was dieses Buch wirklich sehr gut vermittelt.
Ann-Kathrin Opiolka, 16 Jahre